Neurobiologische Grundlagen für die methodische Förderung der anschaulichen Wahrnehmung, Vorstellung und Darstellung im Gestaltungs- und Kommunikationsprozess
Neuerscheinung in der Schriftenreihe der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (Oktober 2010)
Während sich das Gehirn unserer Spezies in den letzten 30.000 Jahren nicht nachweisbar verändert hat, haben es unsere anschaulichen Lernumgebungen umso mehr. Mit der Komplexität unseres kulturellen Lebensraums steigen auch die Anforderungen an die Bildung unserer räumlichvisuelle Kompetenz. Immer früher müssen wir lernen, uns über regionale Grenzen hinaus in einer globalen Welt zu orientieren. Diese beschränkt sich heute nicht mehr auf unsere Siedlungsräume und Infrastrukturen. Hinzu kommen virtuelle Handlungsräume wie das Internet, in denen wir kommunizieren, denken, handeln und über die wir unsere Realität gestalten können.
Die Komplexität im Aufbau und die Geschwindigkeit im Wandel unserer Lern- und Arbeitswelten sind nur möglich, weil sich unsere Gehirnleistungen permanent den an sie gestellten Anforderungen anpassen. Dieser Bildungsprozess benötigt Zeit und eine spezifische Förderung. Er ist umso effektiver, je früher wir damit beginnen. Die Bildung der räumlich-visuellen Kompetenz sollte daher in der frühkindlichen Entwicklungsphase beginnen und dann ein Leben lang methodisch weitergeführt werden. Die integrative Entwicklung der verbalen und anschaulichen Kompetenzen bietet einen erheblichen Vorteil. Sie hält uns an unsere Beobachtungen zu versprachlichen und unsere Aussagen zu veranschaulichen, indem wir sie verbildlichen, verkörperlichen und verräumlichen.
Über unsere Kompetenzen zum Gebrauch verbaler und anschaulicher Medien erhöht sich unser Einfluss auf das Interesse und das Aufmerksamkeitsverhalten unserer Zielgruppe. Damit steigt zugleich die Verständlichkeit, wie auch die Nachhaltigkeit unserer Botschaft. Die Struktur vieler Medien weist daher heute zumeist beide Sprachebenen auf. Aus diesem Grund bildet die methodische Förderung unserer verbalen und anschaulichen Kompetenz die Voraussetzung für die Möglichkeit der Teilhabe an modernen Gesellschaften. Wir müssen lernen, uns das anschauliche Wissensarchiv unserer Städte und kulturellen Artefakte zu erschließen um an der Gestaltung unserer Lebensumwelt mitwirken zu können. Die Entwicklung der räumlich-visuellen Kompetenz gehört zur Allgemeinbildung jedes Menschen, die wir ein Leben lang fördern sollten.
Kleine Kinder nutzen das anschauliche Lernpotential ihres Gehirns optimal, da sie in ihrem Alltag überall etwas Besonderes sehen. Sie staunen, experimentieren mit allen Sinnen und fragen neugierig nach. Uns dagegen bleibt die Frage, warum wir diese effiziente anschauliche Lernmethodik nicht im gesamten Bildungsprozess weiterführen. Wir können unsere räumlichvisuellen Gehirnleistungen lebenslang fördern, insoweit wir unsere Sehfähigkeit, das anschauliche Vorstellungsvermögen und die Darstellungsfertigkeiten systematisch fordern. Die Kenntnis der Wissensstruktur unseres Gehirns bestimmt die Effizienz jeder Lernmethodik. Über die Bildung der räumlich-visuellen Kompetenz erhalten wir Zugang zum unbegrenzten anschaulichen Wissensarchiv unseres Natur- und Kulturraums.
In nahezu allen zukunftsfähigen Tätigkeitsfeldern werden grundlegende Fähigkeiten und Fertigkeiten zur anschaulichen Gestaltung und Kommunikation vorausgesetzt. Die Bildung der räumlich-visuellen Kompetenz ermöglicht uns daher die Teilhabe an modernen Gesellschaften. Wir bekommen ein anschauliches Erkenntnis- und Verständigungs-, sowie Problemlösungs- und Vermittlungsinstrument an die Hand, das unsere verbale Sprachkompetenz optimal erweitert und sinnvoll ergänzt. Über die Bildung der räumlich-visuellen Kompetenz fördern wir zugleich auch unsere Intelligenzentwicklung. Dazu müssen wir lernen, die anschaulich erworbenen kreativen, analytischen und praktischen Strategien auf die Lösung von allgemeinen Problemstellungen zu übertragen. Die Theorie gründet sich auf den Forschungsstand der Neurowissenschaften, die Auswirkungen von Gehirnschädigungen sowie den Vergleich der Raumvorstellungen von blindgeborenen, erblindeten und sehfähigen Menschen.
ISBN 978-3-86019-078-4
Schriftenreihe der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle; Nr. 23
Format:
Taschenbuch, 500 Seiten
170×240 mm, Fadenheftung
Preis:
19,80 €
Herausgeber:
Axel Buether
Bezugsadresse:
Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Hochschulbibliothek
Seebener Str. 193
06114 Halle
frauendo(at)burg-halle.de
Erscheinungsjahr:
2010